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Paul Moor Lebenslauf

Zur Erinnerung an Paul Moor (1899 – 1977)

Paul Moor wurde am 27.7.1899 in Basel geboren. Er promovierte 1924 in Mathematik mit einer Arbeit über theoretische Physik und Astronomie. Anschließend unterrichtete er zwei Jahre an einer Mittelschule. Angeregt durch psychologische Studien bei Paul Häberlin wandte sich Moor 1928 in einem Brief an Heinrich Hanselmann (1885 -1960) und bekundete sein Interesse an einer „schwierigeren und verantwortungsreichen Aufgabe“ als es der Unterricht in einer Normalschule erfordere. Hanselmann war zu dieser Zeit Rektor des Heilpädagogischen Seminars (HPS) in Zürich. Er nahm 1929/30 Paul Moor im Studienkurs als Schüler auf. Im Anschluss daran übernahm Moor gemeinsam mit seiner Frau die Leitung eines Kinderheims mit „25 psychopathischen Knaben und Mädchen“ in der Nähe von Fürstenwalde (Mark Brandenburg/
ehemalige DDR). Dieses Heim musste jedoch schon bald wegen der politischen Entwicklung und „fehlender Mittel“ geschlossen werden. Ab 1931 übernahm Moor die Leitung der gerade eröffneten Beobachtungsstation des Landeserziehungsheimes Albisbrunn.

1933 wurde Moor Assistent bei Hanselmann am HPS in Zürich. Er nahm seine pädagogischen und psychologischen Studien wieder auf und promovierte im Herbst 1935 in Zürich; Thema seiner Dissertation: „Die Verantwortung im heilpädagogischen Helfen.“ Von 1949 - 1961 leitete Moor das HPS und übernahm 1951 ebenfalls von Hanselmann an der Universität Zürich als außerordentlicher Professor den Lehrstuhl für Heilpädagogik. 1942 habilitierte sich Moor mit einer Schrift über die „Theoretische Grundlegung einer Heilpädagogischen Psychologie“.

Hanselmann und Moor sind die einzigen Exponenten der Heilpädagogik, die jeweils in Personalunion sowohl die Leitung des HPS als auch Extraordinariate für Heilpädagogik an der Universität Zürich innehatten. 1968 wurde Moor emeritiert und lebte bis zu seinem Tode 1977 eher zurückgezogen in Meilen am Zürichsee (Schweiz).

Paul Moor veröffentlichte etwa 100 Schriften; die wohl bekannteste ist das 1965 erstmalig bei Huber in Bern erschienene pädagogische Lehrbuch „Heilpädagogik“.

Von der Naturwissenschaft herkommend wendet sich Moor in seinen heilpädagogischen Schriften gegen die Verabsolutierung neopositivistischer Strömungen in der Erziehungswissenschaft. Die im Erziehungsalltag gewonnene nicht – messbare (Lebens-) Erfahrung im Sinne des Durchstehens und Aushaltens war für Moor die wesentliche Grundlage seiner heilpädagogischen Theorie. Die jedem Menschen aufgegebene Lebenserfüllung hat sich an den jeweils individuellen Gegebenheiten und Möglichkeiten zu orientieren. Moor verfolgt nicht mehr die vor seiner Zeit verbreitete Theorie der sog. Kinderfehler, sondern er suchte statt dessen (!) danach, was dem leidenden bzw. auffälligen Kind fehlen könnte.

Nicht gegen die Fehler, sondern für das Fehlende!

Diese andere Sichtweise setzt ein umfangreiches Verstehen voraus. Verstehen wiederum ist nach Moor „nur möglich aus liebender Haltung“. Die Ablösung von der Fremd- zur Selbsterziehung geht ferner einher mit dem Wechsel vom äußeren zum inneren Halt.

Wir müssen das Kind verstehen, bevor wir es erziehen

Die pädagogische Systematik in Moors Schrifttum ist von philosophisch-psychologischen Gedanken und Erkenntnissen geprägt, die pädagogische Terminologie beansprucht das Menschenbild und die Gesinnung des Erziehers. Es war offensichtlich nicht Moors Anliegen, die Erziehung in einer wertfreien Forschungsstelle abzustellen.

Am 23. 11. 1964 hielt Paul Moor einen Festvortrag anlässlich der Eröffnungsfeier im Heilpädagogischen Seminar Bethel/Bielefeld, der zweiten Ausbildungsstätte für Heilpädagogik in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Damit sei deutlich gemacht, dass die internationalen Verbindungen der Heilpädagogen auch nach dem 2. Weltkrieg fortgesetzt wurden und dass das heutige Verständnis von Heilpädagogik in Deutschland wesentlich von der schweizerischen Tradition beeinflusst ist. Nicht zuletzt haben doch einige Heilpädagogen in unserem Land ihre Ausbildung bei Paul Moor genießen dürfen.

Vgl. Aufsatz von Dr. Phil. Dieter Lotz unter: